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ULT AG // Kittlitz

Interview: Dr. Stefan Jakschik ULT AG. Kittlitz (Löbau) /// Absauganlagen und Filtertechnik in Industrie, Handwerk und Labor /// https://www.ult.de

Autorin: Juliane

Wichtigste Werte: Vertrauen, Achtsamkeit und Lernen.


Ein Freitagnachmittag im April. Dieses Mal fahren wir nicht zu unserem

Interviewpartner, sondern empfangen ihn im Gartenpavillon des LebensGut

Pommritz. Überall um uns herum grünt und zwitschert es und wir können den nötigen Sicherheitsabstand mit Leichtigkeit einhalten. Unser Gast ist Dr. Stefan Jakschik, Geschäftsführer der ULT AG in Kittlitz bei Löbau. Er leitet das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Alexander Jakschik. Gegründet wurde es 1994 von deren Vater Dr. Christian Jakschik. Die ULT AG produziert und entwickelt Absauganlagen und Filtertechnik, um die Luft zu reinigen in Industrie, Handwerk und Labor. Mittlerweile zählt das Team der ULT in Kittlitz 130 Mitarbeiter:innen, einschließlich ihrer Tochterunternehmen beschäftigt die ULT AG 180 Menschen.


# Entscheidungen treffen

Sein Bruder Alexander und er entscheiden nicht alles im Alleingang. Das patriarchalische System gibt es bei Stefan und Alexander Jakschik nicht. Es habe aber lange gedauert, um das zu verändern. Sein Vater wurde immer gefragt und er hat auch immer geantwortet. „Und dann war ich total verblüfft, dass alle zu mir kamen und eine Antwort wollten, die ich gar nicht geben kann“, sagt Stefan Jakschik. Antworten an der Basis entstehen zu lassen, das ist und war ein richtig langer Prozess.


„Kompetenzen festzustellen und Verantwortung klar zu machen, ist wirklich wichtig. Wir müssen miteinander lernen, also auch in der Firmenstruktur, dass wir nicht aus Versehen für jemand anderen entscheiden.“

Idealerweise laufe die Entscheidungsfindung so, dass zuerst der Werker selbst entscheidet, dann in der Diskussion mit seinem Vorarbeiter. Wenn sie nicht entscheiden können, kommt das in die erste Besprechung, die jeden Morgen stattfindet. Die heißt „Produktionsshopfloor“, wo Produktionsleiter, Einkäufer, Fertigungssteuerung, der Vorarbeiter und der Planer zusammenstehen. Diese Gruppe muss dann entscheiden. Was sie nicht entscheiden kann, das geht in die nächste Runde, die 9.30 Uhr stattfindet, wo Geschäftsführung und Vorstand mit drinnen sitzen.

Stefan Jakschik ist im Unternehmen für den Bereich Forschung, Entwicklung, Produktion zuständig. Für ihn wichtig ist die Strukturierung der Qualitätsprozesse. Die ganze Firma soll nach Lean Gesichtspunkten organisiert sein, so effektiv wie möglich arbeiten. Für die Umsetzung ist ein vierköpfiges Team zuständig.

„Kommunikation ist das Hauptthema der letzten Jahre bei der Entwicklung der Reife der Firma“, erzählt Stefan Jakschik. Es wurden informelle und formelle Ebenen geschaffen. Ein informeller Punkt sind die im Haus verteilten Kaffeemaschinen mit kostenlosem Kaffee. Dort treffen Mitarbeiter:innen aufeinander auf einen Plausch. Die jährliche Weihnachtsfeier und das Sommerfest, wo auch die Familien der Mitarbeiter:innen eingeladen sind, gehören dazu. Einmal im Monat wird zum Mittag gegrillt und die beiden Geschäftsführer berichten etwas zur aktuellen Lage der Firma. Außerdem gibt es einen Newsletter, der ausgehangen wird. Weil das mit dem Grillen und der Aufmerksamkeit nicht so gut funktioniert, gibt es Mitarbeiterversammlungen, wo die Reden notiert werden, auch wegen der tauben Kolleg:innen und um Übersetzungen für die polnischen Kolleg:innen anfertigen zu können.

Er und sein Bruder Alexander diskutieren auch in größeren Meetings ihre unterschiedlichen Meinungen. „Was nach außen wirkt, als wären wir überhaupt nicht abgestimmt. Was ja auch stimmt“, erklärt Stefan Jakschik und lacht. Das zeige ihr Meinungsspektrum und sei gut so. Echte Konflikte können auch entstehen bei den vielen Themen. Seit er angefangen hat in der Firma zu arbeiten, ist er derjenige, der gerne Konflikte moderiert. Er berichtet uns von einem Format aus dem letzten Jahr, das sein Bruder Alexander entdeckt hatte. Die Konfliktparteien wurden in separate Räume geschickt. Dann sollte der eine dem anderen sagen, warum er für ihn gut ist. Das habe funktioniert.

Trotzdem gibt es Konflikte, die nicht auflösbar sind. Es gibt unterschiedliche Arten der Prioritätensetzung und auch Werte-Konflikte. Der eine brauche die große Freiheit, um kreativ sein zu können. Der andere brauche die große Strukturiertheit und Ordnung, um zum festen Zeitpunkt ein Produkt fertig zu haben. Wenn sie zusammen eine Aufgabe lösen müssen, dann fordert das sehr große soziale Fähigkeit von beiden. Da helfe priorisieren und vermitteln, also eine Vorgesetztenfunktion inne zu haben.

Die ULT AG führt gerade eine neue Software ein, die sehr viele Prozesse und Abläufe durch das Abnehmen von digitalen Routinen vereinfachen soll. Die Maßgabe ist, dass die Routine immer automatisch laufen soll. So sollen wir Menschen Freiräume bekommen für Dinge außerhalb der Routine.


Wir fragen nach der Offenheit seiner Mitarbeiter:innen den neuen Entwicklungen gegenüber. Gibt es Ängste? „Es gibt eine Offenheit und es gehen alle mit“, meint Stefan Jakschik. Manches läuft nicht reibungslos. Jemand schreibt an der einen Stelle per Hand etwas aus einer Liste, läuft zu einem anderen Kollegen der dann diese handgeschriebene Liste in eine neue Liste dort in seinen Computer einträgt. So etwas kommt vor. Das hat ganz verschiedene Ursachen. Organisationsaspekte über zwei Abteilungen hinweg, Gewohnheit, nicht aufgepasst bei Softwareeinführung.

„Einen Computer kann nicht als Hammer und Nagel genutzt werden. Dann wird ein Mensch der Maschine nicht gerecht.“ Und das denkt Stefan Jakschik, ist die Herausforderung der

zukünftigen Digitalisierung:


„Nicht dass wir der Technik ausgeliefert sind, nicht dass sich die meisten Menschen zum Opfer machen. Dabei ist eigentlich die Verantwortung von allen, sich klar zu werden, was habe ich denn da vor mir und was muss ich können, damit es tut, was ich will.“

Es arbeiten mehr Männer als Frauen bei der ULT AG. Der komplette Führungskreis und der Aufsichtsrat sind rein von Männern besetzt. Das sei keine böse Absicht. Es gibt keine Bewerberinnen auf bestimmte Positionen. Diesen Umstand bedauert unser Gesprächspartner.

Altersmäßig mischt es sich gut. Die ULT AG hat 10% Auszubildende. Die Rente mit 63 habe ihnen eine ganze Reihe toller Mitarbeiter genommen. Eine Beobachtung sei, dass die Älteren es nicht mehr ganz so stressig haben wollen und den Trubel haben wollen, den die unter 30jährigen veranstalten. Das aber gleiche die Teams wirklich gut aus.

#Ökologisch handeln

Die ULT AG macht die Luft sauber und trägt damit durch ihr Produkt ganz viel zu Ökologie und Gemeinwohl bei. Der Nachhaltigkeitsaspekt wurde schon immer im Kern getragen. Auch ist die ULT AG eines der ersten Unternehmen ihrer Branche, das Geräte mit sehr geringem Energieverbrauch entwickelt hat. Lange Zeit sollen die Filter- und Absauganlagen funktionieren. Noch nach 20 Jahren kann man unsere Produkte „neuwertig ;-)“ auf ebay kaufen, verspricht uns Stefan Jakschik.

Außerdem spendet die ULT AG aktiv für Musikthemen, für die Bigband Klangfarben, für Chöre, ein…zwei Sportvereine, für eine Stiftungsprofessur in Mittweida, Grundschulen und die Bautzener Kirchgemeinde.

Über das Thema Vertrauen wurde im letzten Jahr im Unternehmen viel diskutiert. Es gibt Kolleg:innen, die wünschen sich Zeiterfassung im Büro, da es andere Kolleg:innen gebe, die später kämen und früher gehen würden. Stefan Jakschik ist klar gegen Zeiterfassung, weil er so per se Misstrauen zeigen würde. Er möchte das Vertrauen haben. Er möchte das nicht kontrollieren. Wenn er anfängt, das zu kontrollieren, dann zeigt er Misstrauen.

„Für einen Unternehmer ist Misstrauen unökonomisch. Nichts macht eine Organisation so einfach und unkompliziert wie Vertrauen. Je mehr ich auf der Misstrauensseite unterwegs bin, desto mehr Gesetze und Strukturen, Kontrollen und Vorschriften habe ich. Es wird alles komplizierter, starrer und ineffektiver.“

#Mitarbeiter:innen - Benefits

Da Löbau zwar zentral in der Oberlausitz liegt, aber nicht sehr großist, haben die Mitarbeiter der ULT AG in vielen Fällen einen längeren Anfahrtsweg. Deshalb gibt es monatlich einen Tankgutschein. Wichtig ist ihnen auch ein klimaneutrales Handeln und so nimmt die ULT AG an einem Programm teil, bei dem sich die Mitarbeiter vergünstigt ein Elektro-Fahrrad leasen können. Schön wäre, wenn es auch von allen umliegenden Städten aus gute Radwege gäbe. Bautzen Löbau ist da vorbildlich. Mitarbeitern mit Kindern wird ein Teil der Kinderbetreuungskosten gezahlt und vieles mehr.

Die ULT AG ist momentan zu 70% ausgelastet und arbeitet auch zu 70%. Die Corona Krise stellt alle der ULT AG vor große Herausforderungen. Manchmal muss tagesaktuell entschieden werden. Seit den Lockerungsmaßnahmen Anfang Mai gilt eine Maskenpflicht in Bereichen, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Das ist ein wichtiger Schritt für den Arbeitsschutz. Stefan Jakschik dazu weiter: „Vor uns steht als Ziel, dass sich niemand auf Arbeit ansteckt. Darüber hinaus ist die Kernarbeitszeit erweitert, es gibt home office für jeden, der im home office arbeiten kann. Wir können zur Zeit noch keine Mittagsversorgung sicher stellen, also eine ganze Reihe Einschränkungen. Diese werden uns sicher für eine lange Zeit erhalten bleiben und ich bin gespannt, wie wir uns an die neue Normalität gewöhnen.“

Insgesamt ist er frohen Mutes. Er erzählt uns von Produkten, die Viren filtern können. Bevor er zu uns nach Pommritz gekommen ist, war er beim Arzt, hat sich probehalber verarzten lassen und nebenbei ein Partikeltestgerät arbeiten lassen. Für die Produktion fehle es aber an Zulieferteilen aus Italien und China. Ein anderer Bereich ist die deutsche Automobilindustrie, die sich vom Verbrennerstrang auf den elektromobilen Antriebsstrang umstellen muss. Da sei die ULT AG schon sehr lange treibend mit dabei auf der Forschungsseite.

Wir verweilen noch ein bisschen mit Pommritzer Apfelsaft.


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