Interview: Dipl. Wirtsch.-Ing. Martin Wagner, Inhaber der Sächsischen Spirituosenmanufaktur. Schirgiswalde Kirschau /// hochwertige, ausgefallene und seltene Spirituosen aus der Region /// https://www.saechsische-spirituosenmanufaktur.de/
Autorin: Anne
Werte: Regionalität, Nachhaltigkeit, Innovation
Wir fahren durch Kirschau. Bis wir die Spirituosenmanufaktur finden, brauchen wir zwei Navis, einen Passanten und einen Anruf. Das liegt am neuen Standort, den es bei Google eigentlich noch nicht gibt. Schon von Weitem winkt uns Martin Wagner auf den Hof, er lädt gerade Bierfässer für die Weiterverarbeitung zu Likör aus - das ist eine von vielen innovativen und nachhaltigen Ideen - aber dazu gleich mehr.
Nach dem Abitur machte Martin Wagner eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer. Nach Abschluss der Lehre arbeitete er in Wilthen als Abteilungsleiter. Die Arbeit dort wurde zunehmend administrativ, weniger handwerklich und weit weg von der Produktentwicklung und der kreativen Arbeit. Er kehrte der Großindustrie den Rücken und begann 2009 ein Studium und die Vorbereitung auf die Selbstständigkeit. Spirituosen und die Rezeptentwicklung brauchen einen Vorlauf von ungefähr fünf Jahren. Sechs Jahre später verkaufte er seine erste Flasche. Die Bestände und der Absatz steigen seitdem kontinuierlich.
Die Brennanlage ist so ausgelegt, dass auch kleinere Mengen hergestellt und flexibel an aktuelle Marktsituationen, wie zum Beispiel die Coronakrise, angepasst werden können. Von einem Tag auf den anderen konnte er so die Produktion auf Desinfektionsalkohol umstellen. Schnelle Entscheidungen und kurze Wege machen es möglich. Seine Branche erfordert Weitsicht, denn die Produkte brauchen viele Jahre um zu reifen. Trotzdem ist jede Ernte anders und man kann den Ertrag nicht voraussehen. Das zwingt zur Flexibilität und ist gleichzeitig der Schlüssel zur Innovation.
Brotbrand, Obstbrand, Roggenbrand. Likör aus der Kaffeekirsche. Martin Wagner probiert viel aus und feilt an neuen Rezepten für seine Kunden. Das verlangt Geduld und Offenheit auf beiden Seiten. Dabei fließen seine eigenen Ideen und die der Kunden gleichzeitig ein - oft kommen dabei außergewöhnliche Produkte heraus, zum Beispiel Likör aus der sächsischen Ananas des Bad Muskauer Parks. Martin Wagner ist dabei selbst von den Möglichkeiten und der Vielfalt der Produkte überrascht. Im Moment bleibt durch Corona viel Fassbier in den den regionalen Brauereien übrig, was entsorgt werden müsste. Auch hier gibt es wieder eine innovative und nützliche Kooperation: Bierbrand, der länger haltbar ist und die zwangsläufige Entsorgung von gebrauten Bieren verhindert.
Martin Wagner bewirtschaftet auch selbst Streuobstwiesen mit alten Obstsorten, die gleichzeitig dem Naturschutz dienen. Dabei gibt die Natur die Produktionsmengen vor. Martin Wagner passt sich den natürlichen Schwankungen gern an - wenn ein Produkt aufgrund von geringem Ertrag ausverkauft ist, kauft er das Obst nicht von außerhalb nach, sondern vermittelt auch seinen Kunden, dass Qualität und Regionalität vor Quantität steht.
Die meisten Rohstoffe wie Obst und Getreide kommen direkt aus der umliegenden Region. Das kostet zwar mehr, stellt aber durch die regionale Nähe sicher, dass die Qualität stimmt und man sich viel Zeit und Arbeit erspart, wenn man sich einmal ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Regionale Kooperation ist ein wichtiger Aspekt bei der Sächsischen Spirituosenmanufaktur: Mostereien geben das überschüssige Obst, welches sie selbst aufgrund von Kapazitätsmangel nicht verarbeiten können, an Martin Wagner ab und sortieren es im eigenen Betrieb für ihn vor. So profitieren alle davon und nichts wird verschwendet. "Wir benennen uns nicht nur nach der Region, sondern arbeiten auch tatsächlich mit regionalen Zulieferern zusammen. Dafür bin ich natürlich bereit, mehr zu zahlen, denn die Qualität und die Bedingungen des Anbaus sollte man nicht ausschließlich gegen Geld abwägen."
Die Arbeiten, die nicht Martin Wagners Kernkompetenz entsprechen, werden ausgelagert. An die ortsansässige Behindertenwerkstatt, Speditionen oder Saisonarbeiter:innen aus der Umgebung. Er gibt gerne Verantwortung und Vertrauen ab profitiert davon, dass er sich um sein Kernthema - das Brennen und Entwickeln von Rezepten - kümmern kann.
Martin Wagner brennt für Innovation, Ideenreichtum, Kooperation und Liebe für die Region. Dabei wirkt die Manufaktur und die Organisation alles andere als unvorhersehbar oder unwirtschaftlich, was Viele mit diesen Werten verbinden. Er hat es geschafft, Situationen zu nutzen, wie sie kommen und dabei einen Mehrwert für die Region, die Konsument:innen und für sich selbst zu schaffen. Er verbindet traditionelles Handwerk mit moderner Herangehensweise und bleibt dabei seinen Werten treu.
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