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Bäckerei Richter // Kubschütz

Interview: Bäckermeister Stefan Richter, Bäckerei Richter, Kubschütz // Dorfbäckerei, Handwerksbrot, Zuckerbäckerei /// www.baeckermeister-richter.de/

Autorin: Anne


Wichtigste Werte: Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Sinn


Wir fahren nach Kubschütz zur Bäckerei Richter. Heute nicht zum Brötchen holen, wie schon viele Male auf dem Weg nach Pommritz, sondern um Bäckermeister Stefan Richter zu interviewen. Er führt die Bäckerei bereits in fünfter Generation und blickt auf eine Unternehmensgeschichte zurück, die bis zum Jahre 1891 reicht.

Dorfbäckereien wie die von Stefan Richter haben mit der demografischen Entwicklung im ländlichen Raum, mit einem geringeren Pro-Kopf-Verbrauch und steigenden Kosten zu kämpfen. Dies hat Filialisierungen und Fusionierungen zur Folge – immer weniger Unternehmen machen als Ketten das Rennen um Marktanteile unter sich aus. Viele Bäckereien in der Region mussten aufgrund dessen und entsprechend fehlender Nachfolge schließen. Stefan Richter führt nicht nur erfolgreich die Bäckerei, sondern ist in Dresden auch an der Ausbildung von Bäckermeistern beteiligt.


"Auch in den traditionellen Handwerksbetrieben ändern sich die Ansprüche an eine andere Arbeitsweise, besonders von der jungen Generation. Die Weise, wie sie arbeiten und kommunizieren unterscheidet sich (von Gewohntem) und ich agiere anders, wie man das vielleicht von einem klassischen Chef in einer traditionellen Hierarchie erwartet. Diese unterschiedlichen Erwartungen an meine Führungsrolle gilt es zu überbrücken bis hin zu dem, was sich natürlicherweise als New Work abzeichnet.", erzählt uns Stefan Richter, der sich beruflich und privat viel mit dem Thema New Work auseinandersetzt.


"Ich akzeptiere die Erwartungen, die an mich als Chef gestellt werden, trete aber Schritt für Schritt zurück um den Mitarbeitern einen Teil des Unternehmenserfolgs gestaltbar zu machen."


Bei der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Sachsen unterrichtet Stefan Richter im Fachbereich Betriebswirtschaft. Mittlerweile findet der Lehrgang nur noch einmal im Jahr statt, es gibt an dieser Akademie nur noch ungefähr 20 angehende Bäckermeister:innen pro Jahr. Die Dozententätigkeit hat viele Vorteile: unter anderem den sehr regen Austausch über Innovationen und die Vernetzung mit spannenden Menschen, Kooperationen und Neugründungen. "All das bringt den nötigen frischen Wind von außen. Wir müssen Weiterbildungen so gestalten, dass sie uns auch etwas nützen.", sagt er. So werden die angehenden Meister neben traditionellen Inhalten auch Ideen von Startups und Initiativen wie Slowfood näher gebracht.


"Die meisten Menschen haben gelernt, dass Arbeit keinen Spaß machen darf. Offene Kommunikation oder aktive Konfliktbewältigung sind für die viele Arbeitnehmer nichts, was direkt im Arbeitskontext steht."

Stefan Richter spricht sehr reflektiert davon, wie schwierig es ist, einerseits Raum für Menschlichkeiten zu schaffen und andererseits niemanden damit zu überfordern. Auch Feedback hat zwei Seiten. Stefan Richter holt sich aktiv Feedback und Kritik von seinen Mitarbeitern ein. "Wenn man seiner Fehler nicht bewusst gemacht wird, kann man sich nicht weiter entwickeln.", so seine Einstellung.


Nachhaltigkeit und Regionalität war vor der Industrialisierung eine Reaktion auf Knappheit, heute hat sie sich zum Wert transformiert und das Bewusstsein wächst stetig. Stefan Richter kommuniziert diesen Wert klar nach außen und agiert in dieser Hinsicht sehr transparent, denn das Wissen um kurze Handelswege und nachhaltige Produktion ist durch die lange Tradition vorhanden.



"Mir ist es wichtig, regionale Wirtschaftskreisläufe abzubilden und zu nutzen.". Er erzählt von einer Kooperation mit Getreidebauern aus Zockau, die Dinkel, Champagnerroggen und Emmer anbauen. Er mahlt die Körner frisch, die die Getreidebauern vorbereiten. Die übrigen Rohstoffe sollen in Zukunft komplett bio-zertifiziert werden und sind auch jetzt schon nicht industriell verarbeitet. In dem regionalen Slow Food Convivium gibt es regen Austausch über Innovationen, Rohstoffe und Nebenprodukte, die wiederrum nachhaltige Verwertungskreisläufe ermöglichen. Ein Beispiel dafür Goldleinkekse aus dem Nebenprodukt der Leinölherstellung in Niederoderwitz. So entsteht gerade auch die Idee einer Kürbiskernproduktion, von der der Ölmüller, Stefan Richter und die Behindertenwerkstatt in Zittau profitieren können. Allen voran natürlich, so Stefan Richter, auch die Genießer der Region.


"Das Gute am eigenverantwortlichen Unternehmertum ist, bewusst auch ökonomisch unvernünftige Entscheidungen treffen zu können, solange man es sich leisten kann. Ausprobieren, nach dem Gefühl abwägen, nicht immer nur betriebswirtschaftlich entscheiden.", sagt er. "Das erst macht eine Organisation lebendig und hebt sie von der Industriemaschinerie ab.", stimmen wir zu. "Wir müssen uns von der Grundeinstellung lösen, dass es uns schlechter geht, wenn es dem anderen gut geht. Erfolg heißt nicht, jemand anderem etwas wegzunehmen, Wachstum ist auch gemeinsam möglich."


Wir sind begeistert, was sich hinter den Kulissen der eher unscheinbaren Bäckerei verbirgt. Stefan Richter ist ein Beispiel dafür, dass man neben der Wertschätzung und Weiterführung von Tradition und Handwerk trotzdem innovativ und agil arbeiten kann. Dafür muss man bereit für Veränderung sein und diese als natürlichen Prozess ansehen, die Chancen nutzen und aufmerksam über die Türen des eigenen Unternehmens herausschauen. Wir sagen danke und sehen uns beim nächsten Brötchenkauf.


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