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C. Bechstein Manufaktur // Seifhennersdorf

Interview: Matthias König // Geschäftsführer C. Bechstein Manufaktur Seifhennersdorf // www.bechstein.com


Werte: Qualität, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit


Am Anfang der Welt


Wir verquatschen uns beim Kaffee zur Einstimmung auf unser Interview. An einem wunderbar sonnigen Herbsttag durchfliegen wir die bunt gefärbte Oberlausitz, um pünktlich in Seifhennersdorf zu landen. Schon als wir auf den Parkplatz fahren, spüre ich die Besonderheit des Ortes. Als Kind wollte ich immer Klavierspielen lernen, doch nie hatte ich die Gelegenheit ernsthaft ergriffen. Heute bin ich an dem Ort, wo hochwertige C. Bechstein Flügel und Klaviere gebaut werden. Spannung steigt in mir auf.


Zeit ist hier ein wertvolles Gut, das begreifen wir schon bei der Begrüßung. „Sie sind zu spät!“ Wir schauen uns fragend an und der Blick auf die Uhr verrät, dass wir auf die Minute pünktlich sind.

Wir werden in ein Büro geführt, welches klar strukturiert ist aber auch eine wohlige Atmosphäre verbreitet. Die Wände hingegen beben. Veranstaltungsplakate, Urkunden und scheinbare Dienstplanungen vermitteln den Eindruck einer Kommandozentrale. Der Kaffee wird uns von einer Klavierbaumeisterin serviert.


Unser Gegenüber, Matthias König ist seit 45 Jahren Klavierbaumeister und seit acht Jahren in der Oberlausitz. Er wurde angesprochen, das Unternehmen wieder an die Qualitätsspitze in der Branche zu führen. Weil er kein „Frühstücksdirektor“ sein möchte, hat er sich entschlossen, wöchentlich zwischen Braunschweig und Seifhennersdorf zu pendeln.



„Man muss es einfach nur tun.“

Gute Fachkräfte zu finden, war alles andere als einfach. Dafür musste er sich etwas ganz Spezielles einfallen lassen. In einer vorübergehend freien Werkhalle und später in einem extra dafür angeschafften Zirkuszelt organisierte er Klavierkonzerte. Alle Konzerte waren binnen weniger Tage restlos ausverkauft. Die Menschen wurden auf das Unternehmen aufmerksam und erste Bewerbungen gingen ein. In den letzten fünf Jahren hat sich „die Mannschaft“, wie Matthias König sein Team von 220 Menschen nennt, deutlich verjüngt. 120 Mitarbeitende wurden neu eingestellt; ca. 90% sind aus der Region.


Aus dem einstigen DDR-Betrieb ist ein erstklassiges Exportunternehmen geworden; ein attraktiver Arbeitgeber, der gesund ist und regelmäßig die Gehälter zahlt. Nicht nur das, sondern auch die sauberen und lichtdurchfluteten Räume mit Blick auf die Oberlausitzer Berge wissen die Mitarbeitenden zu schätzen. Aus jeder Ecke strömt Musik.



Musikalität und die Leidenschaft für ein hochwertiges Handwerk sind die verbindenden Elemente. Musische Menschen seien ausgeglichener, versichert uns Matthias König. In der Branche kennt man sich oft persönlich; der Wettbewerb ist hart, aber voller Respekt. Man fällt nicht übereinander her.


„Wer von außen kommt merkt schnell, dass hier etwas anders ist:“

Matthias König weiß, dass es auf das gesamte Team ankommt. Jede und jeder Einzelne ist wichtig. Früh geht er durch das Unternehmen und begrüßt alle persönlich. Auch dass uns die Klavierbaumeisterin den Kaffee serviert sei keine Besonderheit; er tut es schließlich für andere auch.



Für Matthias König ist die Oberlausitz nicht das Ende, sondern „der Anfang der Welt“. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur das Unternehmen einmal auf links zu drehen, sondern auch den Ort zukunftsfähig zu gestalten. „Wir haben in den letzten Jahren viel investiert und viel hat C. Bechstein noch vor“, sagt er. Eine neue Produktionshalle steht auf dem Programm und der Bau des größten Flügelauswahlsaals der Welt. Der findet seinen Platz auf dem Dach der neuen Halle, wird komplett aus Glas sein und natürlich die Form eines Flügels haben. Zukünftig sollen die Händler aus der ganzen Welt nach Seifhennersdorf kommen. Sie werden von den Flughäfen in Berlin, Leipzig, Dresden oder Prag abgeholt, können miterleben, wie die Flügel und Klaviere gebaut und gestimmt werden und sollen mindestens zwei bis drei Tage in der Region verweilen. So wird der Kauf eines Instrumentes zu einem unvergessenen Erlebnis.



Bei 70% Exportanteil ist es ebenso wichtig, dass alle Nutzer:innen für den Umgang mit den Instrumenten gut geschult sind. In der auf dem Werksgelände ansässigen C. Bechstein-Akademie gibt es verschiedene Kurse zur meisterhaften Handhabung der Instrumente.

Für Besucher:innen und Mitarbeitende, vor allem aber für die zahlreichen Azubis wurden mehrere Gästehäuser in Seifhennersdorf erworben und saniert. In der eigenen „Musikschule Dreiländereck“ können bis zu 200 Schüler:innen an weiß polierten Klavieren Unterricht nehmen. Ein top ausgestatteter Konzertsaal wurde errichtet und ein kleines gemütliches Café „Carls Musik Café“ eröffnet. Gerade jetzt in der Adventszeit beteiligen sich die Mitarbeitenden mit verschiedenen Benefizkonzerten am aktiven Adventskalender der Stadt.



„Nur als Team sind wir stark.“

Matthias König war an der Porsche-Akademie und kennt sich bestens mit Toyota-Produktionssystemen aus. Am Produktionsstandort Seifhennersdorf hat er nahezu alles umorganisiert. Er hat Abläufe neu aneinander gereiht, um Produktionsstrecken zu verkürzen; „jetzt hängen alle Abteilungen in der richtigen Reihenfolge an der Perlenkette“, berichtet er uns stolz. Die Arbeitsorganisation ist auf dem neusten Stand. Dennoch setzt Matthias König nicht nur auf Digitalität, sondern auch auf analoge Anwendungen. Eindrucksvoll präsentiert er uns das Prozessteuerboard, das Herz in der Produktion. Mittels Magneten werden alle Arbeitsabläufe dokumentiert. Auf den ersten Blick wird sichtbar, wo Schwächen auftreten und Schwierigkeiten entstehen. Alle Materialien und Vorgänge werden erfasst. Mit diesem System werden Fehler zur absoluten Ausnahme. Nur so sei es möglich, die Qualitätsspitze in der Branche zu besetzen.


Alle Produktionsleiter haben einen Leitstand mit einem großen Fenster bekommen und alle Büros wurden mit PC’s ausgestattet. Bis Mitte der 1990er Jahre gab es lediglich ein Telefon im ganzen Unternehmen; über alle Produktionsvorgänge wurde Buch geführt. Um etwas in Erfahrung zu bringen, musste Matthias König zu den Produktionsleiter:innen gehen und mit ihnen gemeinsam in die Bücher schauen. Heute wird alles über Outlook organisiert; Termine gewissenhaft vorbereitet. Effizienz scheint das höchste Gut, deshalb wird mit dem Faktor Zeit sehr sorgsam umgegangen. Speziell ausgebildete Refa-Ingenieure achten auf Profitabilität und die Effizienz der betrieblichen Abläufe.


So verwundert es auch nicht, dass alle Kennzahlen und Produktmarken akkurat dokumentiert werden. Der prozessbezogenen Know How Transfer erfolgt direkt am Arbeitsplatz, von Auge zu Auge und Hand zu Hand. Alle Rookies, Trainees und Auszubildende bekommen einen Paten gestellt.



„Nichts geht über ein persönliches Gespräch.“

„Gerade bei kritischen Themen muss man sich in die Augen schauen können“, sagt Matthias König. Deshalb ist ihm trotz oder gerade aufgrund eines hohen Effizienzanspruches eine direkte Kommunikation wichtig. Seine Tür stehe immer offen und die Mitarbeitenden wissen, dass sie ihn jederzeit ansprechen können. Als Geschäftsführer sieht er sich auch als Moderator in Konfliktfällen.


Uns fasziniert die Qualifikationsmatrix an der Wand hinter ihm. Diese umfasst die fachlichen Kompetenzen aller über 200 Mitarbeitenden. Verschiedene Farben geben Auskunft über Qualifikation und Erfahrung. Das ermöglicht dem Unternehmen einen konvergenten Einsatz der Fachkräfte. Auch hier lässt uns das Hohe Maß an Effizienz erstaunen. Matthias König sieht in dieser Matrix ein wertvolles Tool.


„Was könnte wertvoller sein, als seine Mitarbeitenden und ihre Kompetenzen zu kennen.“

Täglich gibt es morgendliche Besprechungen am Steuerboard, die anfänglich viel Zeit „gefressen“ haben, heute jedoch innerhalb von zehn Minuten alle Probleme geklärt werden. Einmal pro Woche gibt es eine Meisterrunde. Mit allen Meistern wird zudem jährlich ein Feedbackgespräch geführt.



Vor allem die Optimierung der Prozesse erweist sich als sinnvoll und zeigt nachhaltige Wirkung. Mitarbeitende und Kunden seien sehr zufrieden.

Bei C. Bechstein werden nahezu ausschließlich natürlichen Rohstoffe verwendet. Oft muss das Holz lange und aufwendig gelagert werden, bevor es verarbeitet werden kann. Alle Reste werden der eigenen Heizanlage zugeführt. Lösungsmittel werden destilliert und mehrfach benutzt. Der Blick aus dem Fenster verrät, dass man es zu schätzen weiß, in so einer schönen und natürlichen Umgebung arbeiten zu dürfen.



Technologische Innovationen entstehen direkt im Team und werden von motivierten und engagierten Mitarbeitenden getrieben. Dafür ist ein kreatives Umfeld und Phantasie notwendig, sagt Matthias König. Oft sind es die neuen Mitarbeitenden aus anderen Branchen, die aufgrund ihrer anderen Blickweise innovative Ideen einbringen. Produktinnovationen entstehen hingegen eher durch die enge und vertrauensvolle Kommunikation mit den Kunden.


Mit Fokus auf die Mitarbeitenden zeigen sich die Herausforderungen in der Arbeitsorganisation. „Mir sind bislang zwei Gruppen von Menschen geläufig“, sagt Matthias König. Die einen schauen auf die Bezahlung. Ein hoher Übungsgrad ist wichtig für einen hohen Leistungsgrad. Das setzt Spezialisierung voraus und ermöglicht eine hohe Entlohnung. Den anderen ist es wichtig, nur nicht eintönig arbeiten zu müssen. Sie setzen auf möglichst viele Qualifikationen und sind daher sehr flexibel einsetzbar. Beide Gruppen lassen sich gut in die betrieblichen Abläufe einfügen.



Relativ neu ist, dass sich Menschen bewerben, die zunehmend weniger arbeiten möchten. Das stellt die Organisation der Produktionsabläufe vor neue Herausforderungen, denn eine mögliche Verkürzung der Arbeitszeit hat zur Folge, dass es viele qualifizierte Bewerber:innen braucht. Die sind jedoch in der Oberlausitz aktuell noch schwer zu akquirieren.

Matthias König ist es jedoch bewusst, dass verkürzte Arbeitszeiten und ein ausgeglichener Lebensstil die Leistungsbereitschaft steigern und der Krankheitsstand sinkt.



Wir fragen Mathias König was passieren würde, wenn er selbst mal erkranken oder eine Auszeit planen würde. Lächelnd versichert er uns, dass das niemals vorkommen wird. Dann erklärt er, dass natürlich auch dafür Vorsorge getroffen ist. Oft sei er ja dienstlich unterwegs. Daher gibt es immer auch vertrauensvolle Vertretungsregelungen, die verlässlich funktionieren.


„Arbeit ist mein Hobby. Rund um die Uhr. Aber ich halte mich nicht für unentbehrlich.“

Wir zeigen uns erstaunt über so viel Wissen und Engagement. „Man muss schon verrückt sein“, bestätigt uns Matthias König lächelnd und erklärt: „Ich bin hier, weil Klaviere und Flügel mein Leben bestimmen.“ Gelegentlich sei er traurig darüber, dass er sich persönlich immer mehr vom eigentlichen Handwerk entfernt. Heute erfüllt er jedoch auch mit viel Freude den administrativen Job. „Ich bin zufrieden, wenn alle anderen zufrieden sind.“


Text: Reno

Bilder: C. Bechstein Manufaktur / Archiv Working Evolutions

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